Keine Angst, ich habe den Jahreswechsel nicht verschlafen. Nachdem hier solange Stillschweigen geherrscht hat, hätte man das allerdings durchaus vermuten können. Eigentlich wollte ich schon längst, wie alle wichtigen Onlinemedien, einen Jahresrückblick hier veröffentlichen.
Es sollte ein ganz besonders geistreicher (und auch ein wenig rührseliger) Beitrag werden.
Ich wollte darauf verweisen, daß in den veröffentlichten Aufzählungen der im Jahr 2008 verstorbenen Persönlichkeiten mindestens ein Name immer fehlt.
Nun, ich will die letzte Chance dazu heute nutzen, denn heute ist Weihnacht – russisch-orthodoxe Weihnacht und damit liege ich noch im Zeitplan.
Allerdings wird dieser Eintrag nun doch etwas nüchterner als ursprünglich beabsichtigt, denn was wäre aus der Chronik meines letzten Jahres hier noch von allgemeinem Interesse?
Den dramatischen Verlauf der ersten sieben Monate kann sich jeder noch einmal in Erinnerung rufen, in dem er einfach nach unten scrollt. Dazu gibt es nichts Neues zu schreiben.
Daß wir an der Situation noch mächtig zu kauen habe, ist sicher normal und auch nicht sehr spannend.
Vielleicht interessiert es jemanden, wie wir die Feiertage verbracht haben? Weihnachten und Jahreswechsel sind Ereignisse vor denen sich bestimmt jeder, der sie erstmals nach dem Verlust eines geliebten Menschen allein verbringen muß, mächtig fürchtet. Wir auch! („Wir“ das sind Sascha und ich).
Aber auch hierfür gilt: „Es wird nichts so heiß gegessen,…“.
Man ist ja gar nicht allein, jedenfalls nicht die meisten Menschen- und wir schon gar nicht.
Die Freunde und Verwandten, die uns in der schwersten Zeit begleitet haben, ließen uns auch diesmal nicht im Stich. Wir hatten soviel nette Einladungen, daß wir unsere Wohnung im Dezember über Wochen hätten vermieten können. Aber wir wollten die Familientraditionen fortsetzen und den Heiligabend begehen wie immer- nur eben jetzt zu zweit. Klar, so richtig toll war das nicht, aber wir haben das Beste daraus gemacht. Tanjas Rolle als Koch hat Sascha übernommen. Und wir haben es fast geschafft, alle Probleme genauso kreativ zu lösen wie in jenem Jahr, als wir den Ladenschluß verpennt haben und die Weihnachtseinkäufe an der Tankstelle machen mußten.
Das mit dem Verschlafen hat schon mal wunderbar geklappt. Allerdings entschied sich Sascha nach dem Download des Rezeptes für „Rehbraten nach fränkischer Art“ (keine Ahnung wieso ausgerechnet nach fränkischer Art) am frühen Spätnachmittag dafür, lieber unwesentliche Komponenten wegzulassen bzw. mit vorhandenen Zutaten zu substituieren, als an den Tankstellen danach zu suchen. Scheinbar war er beim Durchlesen des Rezeptes so von der Anweisung fasziniert, das Tier regelmäßig mit Rotwein zu übergießen, daß er den Rest des Textes einfach übersehen hat. Ein paar Flaschen später war das Fleisch dann auch wirklich butterweich. Offenbar hatte er erwartet, daß sich der Wein letztendlich irgendwie von selbst in Soße verwandeln würde, der man dann bloß noch mit Soßenbinder die nötige Konsistenz verleihen müßte. Keine Ahnung, was die Franken sonst für Soße essen. Bei uns gab es eine Art angedickten Glühwein mit leichtem Reh(?)-geschmack.
In der Kombination mit Rotkohl und Klößen war es trotz allem ein ausgesprochen leckerer Festtagsbraten.
Ganz wie in den Jahren zuvor haben wir die Bescherung zelebriert. Spätestens dabei haben wir gemerkt, daß uns von den Klößen wohl etwas im Halse steckengeblieben sein mußte.
Danach sind wir allerdings vom Standardprogramm abgewichen. Normalerweise hat sich Sascha sonst immer nach dem „offiziellen Teil“ verabschiedet, um mit seinen Freunden weiterzufeiern. Diesmal klingelte es bei uns. Gerd und Heike hatten vorsorglich beschlossen, uns ein wenig aufzumuntern. Das gelang ihnen auch bis gegen 2.00 Uhr ganz gut.
Den ersten Feiertag wollten wir dazu benutzen, für Tanja eine Kerze in der russisch-orthodoxen Kirche in Gifhorn anzuzünden. In Gifhorn war es sehr schön. Die russisch-orthodoxe Kirche reagierte auf unser christliches Weihnachtsfest allerdings mit Geschlossenheit. Weihnachten ist schließlich erst heute.
In meinem Bericht bin ich jetzt am Mittag des ersten Feiertages angekommen. Seid froh, daß ich auf einen kompletten Jahresrückblick verzichte. Ich springe noch ganz kurz zu Silvester und dann seid Ihr erlöst.
Silvester beginnt obligatorisch mit einem Silvesterlauf. Das war auch diesmal so. Früher habe ich mich dann immer beeilt, nach Hause zu kommen- diesmal nicht. Ich habe, im Gegenteil, zunächst bei Freunden, die nahe am Start- und Zielgebiet wohnen, fremdgeduscht und mich dann auch noch zum Mittagessen einladen lassen. Ihr merkt- schon wieder keine Zeit zu individueller Trübsal.
Um am Silvesterabend nicht unangemessen fröhlich feiern zu müssen, bin ich mit Freunden am Abend zu einer Brockenbesteigung aufgebrochen. Der Weg dorthin führte am Friedhof vorbei und da Tanja keine Böller mochte, haben wir ihr wenigstens ein paar Kerzen angezündet. (Früher galt es nach Kindergeburtstagen immer als Mutprobe auf den dunklen Friedhof zu gehen. Durch Tanja hat dieser Ort jetzt seinen Schrecken verloren.)
Der anschließende Aufstieg war sehr beeindruckend. Es war eine rabenschwarze, klare Nacht mit einem wunderschönen Sternenhimmel- und von irgendwo dort oben hat Tanja garantiert zu uns heruntergeschaut.
Mit einem schönen Blick auf die Feuerwerke in den Orten am Fuße des Brockens und einem Glas Sekt haben wir das Jahr verabschiedet, daß uns soviel Kummer, aber gleichzeitig auch soviel Wärme und Optimismus beschert hat.
Nun ist das neue Jahr schon eine Woche alt. Ich habe diese Woche dazu benutzt, die Renovierung unseres Schlafzimmers vorzubereiten. Für mich ist das der erste wirkliche Schritt in ein neues Leben, das ich nun ohne Tanja leben muß. Und es wird trotzdem schön sein. Etwas anderes hätte sie nicht gewollt.
С Рождеством Христовым
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1 Kommentar:
Das ist so eine interessante Geschichte und es gibt auch Hintergrund-Informationen für den Leser. Gute Sache, dass du es uns mitgeteilt hast.
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