Donnerstag, 5. Juni 2008

wieder zuhause

05. Juni 2008

Wie die vielen Anrufe beweisen, hat sich die Nachricht von Tanjas Entlassung aus dem Krankenhaus bereits (zumindest regional) herumgesprochen.
Nachdem wir zum Ablauf des Wochenendes wieder einigermaßen klar denken konnten, haben wir natürlich überlegt, wie es nun weitergehen soll. Einerseits fühlten wir uns im Krankenhaus sehr sicher, da auf Knopfdruck jederzeit sofort Hilfe angefordert werden konnte, andererseits empfanden wir die Situation aber auch als belastend. Eine Palliativstation ist kein Wellnesstempel und ein Einzelzimmer dort kein VIP-Privileg. Durch die Abläufe auf der Station gab es kaum längere Ruhepausen und neben unserem Kummer waren wir inzwischen auch physisch schon etwas erschöpft.
Deshalb waren wir am Montag sehr erfreut, daß die Ärzte sofort unsere Bemühungen unterstützten, Tanja zu Hause selbst pflegen zu wollen. Mit den nötigen Instruktionen und Utensilien versorgt, durften wir am Dienstag die Heimreise antreten.
Für Tanja hätte es keine schönere Nachricht geben können.
Heute ist nun schon unser dritter Tag zuhause und langsam bekommen wir wieder etwas System in den Tagesablauf. Die erste Zeit war von einiger Hektik gekennzeichnet. Unser Wohnzimmer glich der Unfallstelle eines Pharmazietransporters: überall Medikamente, Verbandszeug, Infusionszubehör und nie fand man das, was gerade benötigt wurde. Dazu nahm uns auch Tanjas Bedürfnis nach permanentem Flüssigkeitsbedarf stark in Anspruch. Nach unseren Hochrechnungen hat sie täglich zwischen 30 - 40 Litern getrunken. Diese Mengen wollen ersteinmal bewältigt sein. Das größte Problem war dabei, daß andauernd die Magensonde verstopfte und wir sie dann sehr mühselig und für Tanja unangenehm freispülen mußten.
Selbstkritisch müssen wir eingestehen, daß wir eine Mitschuld an ihren neuerlichen Strapazen haben. Unser Mißtrauen gegenüber den regelmäßigen Morphiumspritzen im Krankenhaus hatte die Ärzte dazu bewogen, einen Versuch nur mit Schmerzpflastern zuzulassen. Das scheint jedoch nicht zu funktionieren und wir sind inzwischen wieder auf turnusmäßige Injektionen umgestiegen. Die Dosierung ist noch nicht sehr hoch (soweit wir etwas davon verstehen) und Tanja ist bei klarem Verstand, scheint aber den Druckschmerz nicht zu bemerken, den die nach wie vor auftretenden Sondenverstopfungen bewirken.
Gestern ist nun auch ihre Mutter bei uns eingetroffen, der die deutsche Botschaft in Moskau, trotz des dringenden Faxes aus dem Krankenhaus, die vorfristige Einreise nicht genehmigt hat.
Der Blick aus dem Fenster zeigt im Moment eigentlich ein schönes Bild. Tanja liegt eingemummelt unter dem Kirschbaum auf dem Schaukelbett, das ich ihr zum Hochzeitstag geschenkt habe und freut sich über unsere Nähe und ihr schönes Zuhause.
Ich denke, wir hätten keine bessere Entscheidung treffen können.

An dieser Stelle ein kleiner Hinweis an alle, die das Bedürfnis haben, sie anzurufen bzw. zu besuchen: Tanja freut sich nach wie vor über jegliche Kontaktaufnahme und auch wir möchten Euch darin bestärken, sie spüren zu lassen, daß sie dazugehört. Eine ihrer Stärken, niemals Schwäche zu zeigen ist dabei jedoch nun zu einem Problem geworden. Sie hat eine derartige Selbstbeherrschung und Ausstrahlung, die schnell vergessen lassen, wie krank sie ist. Sie scherzt und plaudert wie immer und hat aber noch nicht wieder die alte Kraft dazu. Solltet Ihr also mit ihr sprechen bzw. sie besuchen wollen, so tut das unbedingt - aber dehnt diese Gespräche nicht so lange aus. Eine telefonische Nachfrage, ob Besuch möglich ist, halte ich für sehr sinnvoll, wobei Ihr aber auch einkalkulieren müßt, daß sie evtl. gerade schläft, wenn Ihr dann hier seid. Es wird deswegen trotzdem niemandem die Tür vor der Nase zugeschlagen. Wenn Ihr genügend Zeit mitbringt, können wir gerne solange schwatzen, bis sie aufwacht. Meist dauert das nicht sehr lange.
Natürlich hoffen wir, daß sie wieder genügend Kraft sammelt, um diese "Besuchsregeln" nicht lange aufrechterhalten zu müssen.

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